Wednesday, 25 May 2016
Monday, 23 May 2016
Bob Dylan zum 75.
Hey, Mr. Tambourine Man!
Bob Dylan wird 75 – alte Weggefährten, jüngere
Liedermacher und besessene Dylan-Verehrer erinnern sich an Begegnungen mit ihm
und seiner Musik
cw. Eigentlich heisst er Robert
Zimmerman, doch alle kennen ihn unter dem Namen: Bob Dylan! Vom Schriftsteller
Dylan Thomas, den er verehrte, hat er sich den Namen entlehnt. Bob Dylan kam
1961 nach New York, wo er in den Folkclubs von Greenwich Village für Furore
sorgte. Mit Songs wie “Blowing in the Wind”,
“Mr. Tambourine Man”, und “The Times They are a Changin” machte er
weltweit Karriere und galt bald als die Stimme seiner Generation. Seitdem hat
Bob Dylan immer wieder mit neuen Alben aufhorchen lassen und sich vielleicht
als der größte Liedermacher aller Zeiten in die Annalen der Popmusik
eingetragen. Am 24. Mai wird er 75 Jahre alt. Christoph Wagner hat alte
Weggefährten und –gefährtinnen befragt, auch jüngere Kollegen und Bewunderer
sowie Dylan-Experten, um ein Bild von diesem letzten Superstar des Pop zu
gewinnen.
Carolyn Hester, Los Angeles
(Folksängerin, auf deren erstem Album Bob Dylan 1961 mitwirkte. Es war seine
erste Schallplattenaufnahme)
Happy Traum,
Woodstock, USA (Folkmusiker und einstiger Nachbar von Bob Dylan)
“Ich traf Bob Dylan 1962 in Greenwich Village in Downtown
Manhattan. Ich sang damals in der Folkgruppe The New World Singers. Bob Dylan
mochte die Band. Er kam zu unseren Auftritten und gab uns Lieder von ihm zum
Singen. Er war damals noch völlig unbekannt. 1963 war ich dann zum ersten Mal
mit ihm im Studio. Wir nahmen Lieder zur Unterstützung der Zeitschrift
“Broadside Magazine” auf, einem wichtigen Organ der Folkbewegung. Die New World
Singers sangen Dylans “Blowing in the Wind” - die erste Einspielung des Titels!
Er war im Studio dabei. Bei der gleichen Session sang ich mit ihm im Duett:
“Let me die in my footsteps”. Ich sang die Führungsstimme, er die Begleitung,
dazu spielte er Gitarre. Ein paar Jahre später zog ich mit meiner Familie raus
aufs Land, nach Woodstock im Bundesstaat New York, wo auch Bob Dylan mit seiner
Familie lebte. Damals gab es viele Musiker in Woodstock, eine richtige
Künstlergemeinde.
Peter Stampfel, New York
(Folk-Veteran mit den Holy Modal Rounders)
“Das
erste Mal als ich Dylan sah, wusste ich nicht, wer er war: ein junger Bursche
mit Stiefeln und einer Mütze auf, der nach Greenwich Village in Manhattan
gekommen war, um ein bisschen Gitarre zu spielen. Ein paar Wochen später ging ich
abends am Folkclub “Folk City” vorbei und sah durch das Fenster, wie er dort
auf der Bühne stand mit seinem Mundharmonikahalter. Ich hörte nichts durch die
Scheiben, konnte aber an seinen Bewegungen erkennen, dass er richtig Gitarren
spielen konnte. Als ich ihn dann kurze Zeit später auf der Bühne erlebte,
erstaunte mich sein Gesangstil, diese Mischung aus Rock ’n’ Roll und
traditionellem Hillbilly-Singen. Er war in der Lage, diese beiden Stile zu
verbinden. Er sang das gleiche Repertoire wie alle anderen Folksänger: alte
traditionelle Lieder etwa von Woody Guthrie. Keiner erinnert sich mehr daran,
aber am Anfang seiner Karriere alberte und kasperte Dylan auf der Bühne herum.
Er hüpfte und bewegte sich wie ein unreifes Kind. Erst als er seine Mütze
abnahm, hörte er auf, ein Clown zu sein.”
Jeffrey Lewis, New
York (Anti-Folk-Songwriter und Bandleader)
“Bob Dylan habe ich das erste Mal gehört, als ich so
14 oder 15 war und gerne im Radio klassische Rockmusik hörte. Damals entdeckte
ich all diese tolle Musik aus den Sechzigern. Bestimmte Lieder von Bob Dylan,
die romantisch-schnulzigen, gefielen mir nicht. Das ist auch heute noch so.
Aber eines Nachts hörte ich ”Ballad of a Thin Man” im Radio, und der Song zog
mich in den Bann. Das Lied war lustig und verrückt. Darin kam eine einäugige
Schnake vor. Jede Zeile war voller Überraschungen, wobei die Musik ziemlich
cool klang, düster, schwer und bedrückend. Plötzlich fand ich Bob Dylan
interessant. Ich schaute die Plattensammlung meiner Eltern durch. Sie hatten das
betreffende Album und noch zwei oder drei andere Dylan-LPs. Ich überspielte sie
auf Cassette und hörte sie jeden Morgen auf dem Weg zur Schule mit meinem
Walkman in der U-Bahn. Was für tolle Musik! Seine romantischen Lieder sagen mir
bis heute nichts, aber die lustigen, verrückten Songs sind voller Spaß,
Brillanz und Energie. Bis heute gefällt mir der frühe Dylan am besten, diese
wilde akustische Musik, auch wenn manche Leute meinen, er könnte nicht singen.
Ich finde seine Stimme klingt jung und wild. Mit der Zeit beschaffte ich mir
mehr und mehr Alben von Bob Dylan und finde, dass auf allen gute Musik ist.”
Alex Neilson, Glasgow
(Schlagzeuger, Sänger und Liederschreiber der Trembling Bells und von Crying
Lion)
“Ich
kam ziemlich spät auf Bob Dylan. Das erste Mal, dass mich seine Musik wirklich
ergriff, war, als ich eine ‘Live’-Platte von ungefähr 1965 hörte. Es klang, als
ob die Reiter der Apokalypse aus der Lautsprechern kämen. Ich bemerkte dann,
dass es das berühmte “Judas”-Konzert war, wo Dylan als Verräter gescholten
wurde, weil er elektrische und nicht akustische Gitarre spielte. Das war
revolutionäre Musik in jeder Hinsicht. Von da an wurde Bob Dylan eine Obsession
von mir. Ich begriff, dass seine Größe mit seiner Unergründlichkeit
zusammenhängt. Je mehr man über ihn zu wissen glaubt, je mysteriöser wird der
Mann.”
Pete
Coward, London (Musikjournalist und Dylan-Kenner)
“Bob
Dylan inspiriert, weil er ein Genie mit Fehlern ist, und solche Fehler braucht
es, um ein Genie zu sein. Er folgt den Worten von Leonard Cohen: "In jedem
Ding ist ein Riß. Erst dadurch kommt Licht herein.” Deshalb erstaunt es nicht,
dass seine beiden Versionen vom Song “Forever Young” ziemlich verschieden sind
- es verwundert nur. Doch Dylan sucht
alles immer und immer wieder auf und überarbeitet es: seine Lieder, seine
Stimme, sein Glaube. Und das macht er bis heute im Alter von 75 Jahren. Nicht
weil er auf der Suche nach Perfektion ist, sondern weil es die ihm zugewiesene
Rolle ist, als fehlerhaftem Genie und menschlichem Wesen.”
Michael Moravek, Ravensburg (Sänger und Gitarrist der
Planeausters)
“Es passierte in der Küche in der Richthofenstrasse in Balingen. Ich war
13 und mein Bruder rief mich ans Radio. Es kam gerade “Are You Ready”. Die
Stimme elektrisierte mich, sie schien direkt aus einer Menschenseele heraus zu
kommen und unterschied sich von allem, was ich bis dahin gehört hatte. Sie
klang seltsam vertraut und verhakte sich in mir. Als heranwachsender Mensch
konnte ich keine Wurzeln entwickeln, die sich an Orte festmachten. Durch Dylan
habe ich damals meine eigene Sprache gefunden - nicht nur als Songwriter -, die
mir ersatzweise zur Heimat geworden ist. Einer seiner großartigsten
Songs? Covenant Woman. ‘You know that
we are strangers / in a land we’re passing through’.”
Tuesday, 3 May 2016
Kubanische Klezmermusik. John Zorns 'Book of Angals, Vol 23'
Verblüffende
Synthese
Kubanische
Klezmermusik mit Roberto Rodriguez beim Jazzclub Singen
cw. Let’s
klez! Seit 40 Jahren erlebt die jüdische Klezmermusik ein Revival. In ihrer vormaligen
osteuropäischen Heimat durch Holocaust und 2. Weltkrieg vernichtet, waren es
vor allem Musiker aus den USA, die die traditionelle jüdische Festtagsmusik
wiederentdeckten und ihr zu einer weltweiten Renaissance verhalfen. Wie Blues,
Tango oder Salsa gibt es heute Klezmergruppen nahezu überall auf dem Globus.
Dabei treten immer mehr auch etwas abgelegenere Traditionslinien zu Tage, wie
etwa die Klezmermusik auf Kuba, wo eine beachtliche Exilgemeinde jüdischer
Emigranten strandete, um sich vor der Verfolgung in Europa in Sicherheit zu
bringen.
Der
Schlagzeuger Roberto Rodriguez stammt aus diesen Milieu. Er ist in der
jüdischen Gemeinde in Kuba groß geworden und hat seit seiner Jugend bei Festen
und Feiern jüdische Musik gespielt und dabei schon früh Klezmermelodien mit
kubanischen Rhythmen vermischt. In den 1990er Jahre wanderte Rodriguez in die
USA aus, wo er sich in New York niederließ, um weiterhin seine musikalischen
Wurzeln zu pflegen. In Downtown Manhattan traf Rodriguez den Saxofonisten,
Komponisten und Labelbetreiber John Zorn, der ihn ermunterte, die jüdisch-kubanische
Klezmertradition weiterzuentwickeln.
Zorn
schrieb eine Reihe von Kompositionen für Rodriguez, die dieser zuerst mit einer größeren Besetzung aufnahm (CD: Book of Angels, Vol 23) und jetzt mit seinem
Cuarteto Aguares auf einer ersten Europatournee vorstellte, wobei er neben
Auftritten in Slowenien, Holland und Österreich auch beim Jazzclub Singen im
Kulturzentrum Gems vor vollem Haus gastierte. Rodriguez’ Ensemble besteht aus
vier Meistermusikern, die die Latin-Klezermusik mit traumhafter Sicherheit in
Szene setzen. Jonathan Keren an der Violine entpuppte sich als unglaublich
fingerfertiger Virtuose, der dem Bandleader am Schlagzeug an technischer Brillanz
in nichts nachstand. Am Piano, manchmal
akustisch, dann wieder in elektrisch, brillierte der junge Alon
Nechustan mit markanten Soli, wobei Bassist Bernie Minoso das Ganze mit
federnd-elastischen Baßlinien zusammenhielt.
Komponist
John Zorn hat eine Musik kreiert, die eine wunderbare Melanche zwischen der oft
träumerischen Melancholie osteuropäischer Klezmermusik und dem Drive und der
Lässigkeit lateinamerikanischer Rhythmen darstellt. Dabei ist es dem Cuarteto
Aguares gelungen, die knappen Vorgaben des Komponisten mit originellen
Arrangements und gekonnten Improvisationen zu epischen Stücken auszubauen, die
dennoch keine Sekunde langweilig wirkten. Vielmehr war es faszinierend zu
hören, zu welch spannendem Mix sich die jüdische Musik in der kubanischen
Diaspora formte. Rumba und Klezmer gehen dabei ein überraschende Synthese ein,
die verblüfft und trotzdem vollkommen organisch wirkt.
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