Friday, 11 August 2023

Nik Bärtsch und sein minimalistischer Funk

Zen-Jazz 

Nik Bärtsch & Ronin in Manchester


Nik Bärtsch & Ronin in Manchester (Foto: C. Wagner)



cw. Die Schweiz ist ein relativ kleines Land mit einer hohen Dichte an Jazzmusikern. Einer der originellsten und zugkräftigsten ist der Zürcher Pianist Nik Bärtsch, dessen Alben beim renommierten Label ECM erscheinen und der weltweit Konzerte gibt. Gestern Abend – den 11. August 2023 – machte er auf einer Minitour durch England in Manchester im Club „Band on the Wall“ Station, einer Institution der nordenglischen Musikszene.

 

Bärtsch mit glattrasiertem Schädel und einer Kleidung, die asiatisch anmutet, betreibt neben der Musik sehr ernsthaft die japanische Kampfsportart Aikido, in der sich höchste Konzentration mit größter Lässigkeit vereinen und die mit dem geringsten Einsatz den größtmöglichsten Effekt zu erzielen sucht. Diese Prinzipien versucht Bärtsch auch in seiner Musik fruchtbar zu machen.

 

Mit seinem Quartett Ronin beschreitet der Schweizer seit längeren einen ganz eigenen Weg. Seine höchst individuelle Form des Ausdrucks formt aus der Konzentration auf Reduktion, Repetition und Variation einem Stil, den Bärtsch „Ritual Groove Music“ nennt. Dieser Zen-Jazz oder minimalistische Funk arbeitet mit Ostinati, knappen melodischen Motiven und polymetrischen Rhythmen als variablen Bausteinen, die in einander verzahnt, verschachtelt, übereinander geschichtet und immer wieder anders verschaltet werden, wobei kleinste Akzentverschiebungen und minimale Differenzen die Musik kontinuierlich vorantreiben und einem Flow erzeugen, der sich aus sich selbst heraus immer neu generiert. 


Nik Bärtsch & Ronin (Foto: ECM Promo)


Bärtsch ist daneben ein Meister der musikalischen Dramaturgie und scheut auch abrupte Kurs- und Szenenwechsel nicht, ob in der Dynamik, der Atmosphäre oder der Klanglichkeit. Neben dem Leader am Klavier – oft präpariert bzw. im Inneren operierend – sowie am elektrischen Piano machen drei Musiker Bärtschs langjährige Truppe aus: Schlagzeuger Kaspar Rast vereint Komplexität und Präzision in seinem federnden Beat und schafft mit den kontrapunktischen Baßlinien von Jeremias Keller ein Fundament, das atmet, pulst und groovt. Das ermöglicht Sha – bürgerlich: Stefan Haslebach – auf dem Altsaxofon und der Baßklarinette lange, verhalten-atmosphärische Töne über das rhythmische Geschehen zu blasen, die von Bärtsch mit verfremdetem, rhythmisiertem Tastenstakkato unterlegt, synkopisiert und kontrastiert werden.  

 

Im Auf und Ab von laut und leise, im Verdichten und wieder ausdünnen, im Wechsel der Stimmungslagen von brachial-martialisch bis romantisch-verklärt steigert sich die Musik in der zweiten Konzerthälfte, die aus einer einzigen epischen Komposition besteht, zu einem anschwellenden furiosen Finale, dass das Publikum verzückt nach „mehr“ verlangen läßt. 



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