ROBERT CRUMB - Interview mit dem Cartoonisten
Will ich wirklich einer dieser Irren sein?
Ein Interview mit dem Robert Crumb
über alte Folkmusik (Appenzeller Streichmusig
inklusive), die Wonnen und Abgründe des Sammelns, seine Begegnung mit Janis
Joplin und die Arbeit an der Schöpfungsgeschichte als Comic
von Christioph Wagner
Neben Gary Larson (“The Far
Side”) und Art Spiegelman (”Maus”) gilt Robert Crumb (Jahrgang 1943) als einer
der bekanntesten Cartoonisten der Gegenwart. Berühmt wurde der amerikanische
Comic-Zeichner Ende der 60er Jahre mit “Fritz The Cat”, den Abenteuern des
arbeitsscheuen und sex-süchtigen Katers, die 1972 als Kinohit verfilmt wurden.
Mit dem bärtigen “Mr. Natural” schloß Crumb an diesen Erfolg an. Danach sorgte
er mit seiner Cartoon-Version der Schöpfungsgeschichte für Beachtung. Heute ist
Robert Crumb Kult und wird selbst von der Kunstwelt gefeiert. 2004 widmete ihm
das Kölner Museum Ludwig eine Einzelausstellung und unlängst war im Kunstmuseum
seiner Geburtsstadt Philadelphia eine Retrospektive seines Gesamtwerks zu
sehen.
Sie sind als Comic-Zeichner
berühmt, aber auch als Musiker aktiv. Ist Musik ihre geheime Leidenschaft?
Robert Crumb: Meine Leidenschaft
schon, nur nicht geheim. Ich trete seit
mehr als vierzig Jahren mit Bands auf. Heute mit McCamy’s Melody Sheiks. Der
Bandleader ist Ian McCamy, ein Fiddlespieler, der in der gleichen Ortschaft in
Südfrankreich lebt, wo ich seit fast 20 Jahren wohne. Wir sind beide an Old
Time Music interessiert, und begannen bei Parties und Festen ein bißchen Musik
zu machen. Er ist ein professioneller Musiker, der schon einige Alben
veröffentlicht hat. Weil er meine Begleitung auf der Gitarre und dem Banjo
mochte, bat er mich, bei der Einspielung des Album dabei zu sein, was mir
großes Vergnügen bereitete.
Im Booklet-Text zur CD “There’s
More Pretty Girls Than One” der Melody Sheiks beschreiben sie die traditionelle
Folkmusik als eine sehr demokratische Tradition. Wie ist das zu verstehen?
Robert Crumb: Die traditionelle
Musik ist in einem simplen Format gehalten, simpel genug, um selbst Anfängern
das Mitspielen zu ermöglichen. Ein Neueinsteiger spielt dann vielleicht mit
jemandem zusammen, der diese Musik schon Jahre lang macht und ein echter Könner
ist. Wenn man sich diese Familien-Ensembles anschaut, die diese Musik früher in
den USA spielten, dann musizieren da Kinder mit Erwachsenen zusammen. Man
musste nur ein paar Akkorde können und schon konnte man einsteigen. Kinder
machten mit ihren Eltern Musik, aber auch Neffen und Cousinen, Onkel und Tanten
waren mit von der Partie. Wenn die Jungen Talent zeigten, konnte sie in diesem
Stil zu großen Virtuosen werden. Sie konnten üben und immer besser werden, aber
sie mussten nicht. Man kann diese Musik auch spielen, ohne ein großer Virtuose
zu sein. Der Stil bot einen Rahmen für jede Stufe musikalischer Fähigkeit.
Jeder kann mitmachen. Ein geniales Konzept! Das ist das Schöne an der alten
Folkmusik.
Hört sich das dann nicht
dilletantisch an?
Robert Crumb: Kann schon
vorkommen, aber das ist nicht der Punkt. Man spielte ja für seine Familie,
Leute aus der Nachbarschaft, nicht für Kenner. Es kommt auf die Freude am
Musikmachen an, nicht so sehr auf ein grandioses Ergebnis. Im Gegensatz zur
Folkmusik errichtet Kunstmusik Barrieren. Das macht den Einstieg schwierig. Man
muss erst Jahre im einsamen Kämmerlein üben, bevor man in einem Ensemble
spielen kann. Nimm die Jazzmusik! Da muss man viel über Akkorde, Tonleitern und
Tonarten wissen und ein ungeheurer Könner auf seinem Instrument sein, um Jazz
leidlich spielen zu können. Ganz anders die Folkmusik: Die Leute spielten die
Old Time Music zu ihrem eigenen Vergnügen bei kleinen lokalen Anlässen. Es ist
Gebrauchsmusik, keine Konzertmusik, gespielt von Hobbymusikanten aus Spaß an
der Freude. Das unterscheidet sie von jeder Art von kommerzieller Musik von
Profis gespielt. Folkmusik findet in einem gänzlich anderen, einem kommunitären
Kontext statt.
Sind sie in ihrer Kindheit noch
solchen Hillbillybands begegnet?
Robert Crumb: Wo ich in den 50er
Jahren aufwuchs, gab es solche Gruppen schon lange nicht mehr - keine Spur! Wir
wohnten in einer dieser modernen amerikanischen Vorstädte: Einfamilienhäuser,
Garagen, Vorgärten. Damals war diese Folk-Tradition schon nicht mehr existent.
Die modernen Unterhaltungsmedien hatten sie platt gemacht, ausradiert. Die
kommerzielle Musik aus dem Radio und von Schallplatten dominierte alles. Da gab
es für Hillbilly-Musik keinen Platz mehr.
Wie wurde dann ihr Interesse an
dieser Musik geweckt? Wo sind sie ihr begegnet?
Robert Crumb: Ich weiß nicht,
warum auf mich alte Musik so eine Faszination ausübte, aber schon als Kind war
ich davon begeistert. Ich hörte diese Musik zuerst in Fernsehfilmen aus den
1930er Jahren und fing sofort Feuer. Als
ich dann so 12 oder 13 Jahre alt war, suchte ich nach dieser Musik, die ich in
den alten Filmen gehört hatte. Aber diese Musik gab es nicht auf den
Schallplatten, die damals in Umlauf waren - höchstens ein bißchen
Dixieland-Jazz. In Ramschläden stieß ich dann auf alte Schellackplatten, was
eine Erleuchtung war.
Sie waren schon als Teenager in
Ramschläden unterwegs?
Robert Crumb: Klar, ich hatte
schon immer eine Leidenschaft fürs Sammeln. Mit 10 durchkämmte ich Junk-Shops
und Second-Hand-Läden auf der Suche nach alten Comic-Heften, auch Läden der Heilsarmee.
Als ich 15 war, stolperte ich in so einem Laden über einen Stapel von
Schellackplatten, die sehr billig waren. Sie waren nicht alle toll, Operetten
und solches Zeug. Aber eine war von einer Tanzkapelle aus den 1920er Jahren.
Der Namen der Gruppe sagte mir nichts, aber die Musik haute mich um. Ich
dachte: “Das ist es! Das ist diese alte Musik aus den Filmen, nach der ich
schon so lange Ausschau gehalten habe.” Damit war klar, dass ich von nun an
nach solchen Schellackplatten fahnden würde. Ich kaufte mehr und mehr Scheiben
und entdeckte dabei all diese unterschiedlichen traditionellen Stile: Old Time
Jazz, Blues, Gospel, Hillbilly, Cajun - das ganze Spektrum.
Wie wurden sie auf den Blues
aufmerksam?
Robert Crumb: In der
Schulbücherei fand ich ein Buch über Jazz. Darin gab es ein Kapitel über das
Schallplattensammeln. Dort war von Sammlern die Rede, die in schwarzen
Stadtteilen von Haustür zu Haustür gingen und nach alten Jazzplatten fragten.
Woww - glänzende Idee! Sofort machte ich mich auf die Socken. Ich klopfte an
die Türen im schwarzen Stadtteil meiner Heimatstadt Dover, Delaware. Die Leute
waren sehr neugierig und überrascht: “Was will dieser weiße Rotzjunge hier?”
Aber viele hatten noch Scheiben aus den 1920ern und 1930er Jahren. Sie verkauften
sie mir für wenig Geld, 10 Cents per Stück. Dadurch entdeckte ich die Welt des
Blues. Junge, Junge - was für eine Musik! Diese Klänge kamen mir absolut fremd
und exotisch vor, zugleich ungeheuer faszinierend.
Blues war die Einstiegsdroge.
Wie ging es weiter?
Robert Crumb: Nach dem Blues
entdeckte ich die weiße Folkmusik und mehr und mehr auch die Musikstile der
verschiedenen Einwanderergruppen Amerikas: Irische Jigs, griechischen
Rembetika, polnische und ukrainische Musik, böhmische Klänge - einfach alles,
was es auf Schellacks gab. Es wurde mir klar, dass jedes Volk irgendwann einmal
eine eigene, starke Folkmusiktradition besessen hatte und einiges davon war auf
Schallplatten verewigt worden. Nach diesen Scheiben hielt ich Ausschau. Ich
sammle diese Musik bis heute. Ein Freund hat mir vor einiger Zeit
Schellackplatten mit Appenzeller Streichmusig besorgt - absolut fantastisch!
Ich kannte diesen Stil mit “Hackbrett” (Crumb spricht das in deutsch aus) und
Geigen nicht und war total begeistert. Was für ein Schatz! Man hat mir erzählt,
dass diese Musik bis heute gespielt wird, was wunderbar ist.
Sie scheinen ein geradezu
fanatischer Sammler zu sein. Woher kommt diese Sammelwut?
Robert Crumb: Es ist eine
Obsession. Das fing bei mir schon im Alter von 9 Jahren an, als ich auf einmal
begann, Dinge zusammenzutragen. Ich glaube, es
hat mit der Macht der Serie zu tun. Man hat ein Exemplar und will auch die
anderen Exemplare der Serie haben - ein Drang nach Vollständigkeit. Es ist wie
eine Krankheit, die von einem Besitz ergreift. Man könnte es auch als eine
moderne Ausformung des Jagdinstinkts beschreiben, ein archaisches Relikt,
vielleicht eine Art Perversion. Die Erregung, die einen erfasst, wenn man sich
einem Flohmarkt nähert, die Vorfreude, vielleicht eines der Dinge zu finden,
nach denen man seit langem sucht, ist ein Symptom dieses Gebrechens. Man weiss
nie, welche Schätze einen erwarten.
Den Schellacks sieht man oft
nicht an, welche Musik sie enthalten. Wie vermeidet man Fehlkäufe?
Robert Crumb: Das ist ja gerade
das Wunderbare. Platten sind voller Überraschungen - schlechten wie guten. Als
ich diese Musik aus Appenzell das erste Mal hörte, haute mich das regelrecht
um. Ein anderes Mal kaufte ich auf einem Flohmarkt in Paris einen Stapel
Platten. Darunter war eine Scheibe, aus der ich nicht schlau wurde. Ich konnte
nicht erkennen, aus welchem Land sie stammte. Ich konnte das Label nicht lesen
- nichts machte Sinn. Es war so fremdartig und exotisch - total mysteriös! Ich
konnte es kaum erwarten, sie daheim auf mein Grammofon zu legen und hörte eine
Musik, die mich aus den Schuhen kippte: ein Orchester spielte die wundersamsten
Klänge auf dem Planeten. Pure Ekstase! Und immer noch konnte ich nicht
lokalisieren, woher diese himmlische Musik kam. Ich recherchierte und fand nach
einiger Zeit heraus, dass sie aus Madagaskar war. Es war eine Odèon-Aufnahme
aus dem Jahr 1931 - die wundervollsten Klänge, die man sich vorstellen kann. So
ein Glücksfall entschädigt für die viele Schallplatten, die man kauft, weil sie
billig sind und die sich, wenn man sie dann hört, als Flops erweisen. Aber man
nimmt das Risiko gerne in Kauf. Man muss viele schlechte Platten kaufen, um ein
paar Perlen zu finden. Wenn ich zehn Schellacks auf einem Flohmarkt erwerbe und
zwei davon stellen sich als toll heraus, ist das ein Grund zum Feiern.
Ich habe gehört, Sie unternähmen
gelegentlich richtige Schellacksuchtrips durch die USA, um alte Junk-Shops zu
durchwühlen. Der Sammler Chris Strachwitz hat mir berichtet, dass überall, wo
er hinkommt, es heißt: “Robert Crumb war schon da!”
Robert Crumb: Das ist ja lustig,
weil, wo immer ich hinkomme, erklärt man mir, dass Chris Strachwitz vor drei
Wochen schon hier war.
Sammler gelten als verschrobene
Typen. Warum hat diese Leidenschaft so ein schlechtes Image?
Robert Crumb: Sammeln hat nichts
Heroisches an sich. In Filmen ist der Held nie ein Sammler. Sammlern sind die
pickeligen Typen, die daheim ihre Fundstücke bestaunen, während die anderen
Jungs sich mit den Mädchen amüsieren. Aber egal: Jemand muss es machen! Ich
habe oft das Gefühl: Ich rettete die Musikkultur, die auf diesen Schellacks
bewahrt ist, vor dem Untergang. Damit leiste ich der Gesellschaft einen Dienst.
Auf der anderen Seite erlebe ich das Sammeln als sehr selbstsüchtige Angelegenheit,
die die niedersten Instinkte in mir zum Vorschein bringt: Neid, Gier! Ich
verwandele mich in einen machiavellischen Schurken, wenn ich darüber nachdenke,
wie ich an eine bestimmte Platte kommen könnte, von der ich weiss, dass sie
jemand anderes besitzt. Ich überlege dann irgend einen komplizierten Tausch,
den ich demjenigen aufschwatzen könnte, nur um diese Scheibe in meinen Besitz
zu bringen - ekelhaft!
Kommen einem da nicht manchmal
Zweifel?
Robert Crumb: Die ganze Zeit!
Ich frage mich gelegentlich, ob ich eigentlich verrückt bin. Wenn ich auf
irgendeiner Schallplattenbörse unter all diesen Männern stehen, die irgendeiner
mysteriösen Schellack hinterherjagen und in kleine Notizbücher Nummern
kritzeln, kann man schon ins Grübeln geraten. Was mache ich hier? Will ich wirklich einer von diesen Irren
sein?
Sie haben viele Portraits von
alten Bluessänger und Hillbilly-Musikanten gemalt. Spricht die Musik nicht für
sich?
Robert Crumb: Ohne Frage.
Trotzdem wollte ich diesen vergessenen Künstlern ein Denkmal setzen und ihnen
meine Wertschätzung bezeugen. Darüber hinaus handle ich in missionarischer
Absicht. Ich wollte so viele Menschen wie möglich auf diese fantastische Musik
aufmerksam machen. Obwohl das manchmal sinnlos ist, weil die Musik von einigen der
Musiker, die ich zeichnete, nie auf LP oder CD wiederveröffentlicht wurde. Es
besteht also nur eine äußerst geringe Chance, dass man jemals ein Stück von
Mumford Bean & His Itawambians zu Gehör bekommt. Die Band hat 1928 ihre
einzigen beiden Stücke für eine Schellackplatte aufgenommen und ist dann wieder
von der Bildfläche verschwunden, keine Re-Issue - nix!
Seit Sie in Frankreich leben,
haben Sie auch alte französische Akkordeonspieler portraitiert. Warum?
Robert Crumb: Ich mag diese
Musik. Ich habe ein ganzes Kartenspiel diesen Bal-Musette-Musikanten gewidmet,
aber es verkauft sich schlecht. Nur wenige sind an diesem alten französischen
Musikstil interessiert. Selbst in Frankreich kümmert man sich nicht um die
eigenen Traditionen.
In den 1970er Jahren haben Sie
etliche Plattenhüllen für das amerikanischen Yazoo-Labels gemalt. Wie wurden
sie zum Coverdesigner?
Robert Crumb: Der Chef des
Yazoo-Labels, Nick Perls, hatte eine enorme Schellack-Sammlung und ich habe
diese Cover-Bilder gegen Platten getauscht. Ich wurde mit alten Bluesscheiben
entlohnt. Der Mann war sehr wohlhabend und kaufte alte Bluesplatten von
Sammlern. Er hatte die unglaublichste Sammlung, vielleicht die größte und beste
der Welt. Er hatte viele Dubletten. Sie allein wären schon eine grandiose
Sammlung gewesen. Die besten der alten Blues-Scheiben, die ich habe, stammen
aus diesem Regal. Perls war etwas geizig und gab mir nicht gerade viele Platten
für meine Arbeit. Aber ich war so gierig, dass mir das egal war. Ich hätte mein
letztes Hemd dafür gegeben.
Hatten sie schon davor
Schallplattenhüllen entworfen?
Robert Crumb: Das erste Cover
war für die LP “Cheap Thrills” von Janis Joplin, Big Brother & The Holding
Company. Ich lebte damals in San Francisco. Die Band spielten überall, gehörte
zum Grundinventar der Underground-Szene. Ich veröffentlichte meine Comics in
der Underground-Presse. Dort haben die Band sie wohl gesehen und nahm mit mir
Kontakt auf. Janis Joplin und Dave Getz, der Drummer, kamen mich besuchen und
sagten, Columbia Records hätten ihnen einen Vorschlag fürs Cover gemacht, der
ihnen nicht gefiele und ob ich nicht einen Entwurf machen könnte. Aber sie
bräuchten ihn schon morgen. Ich warf etwas Speed ein, arbeitete die ganze Nacht
durch. Am nächsten Morgen war das Ding fertig.
“Cheap Thrills” war acht Wochen
lang Nr. 1 in den Hitparaden, das meistverkaufte Album von 1968. Das Cover war
eine Sensation. Das muss Ihnen viele lukrative Aufträge eingebracht haben?
Robert Crumb: Nicht wirklich.
Andere Rockbands fragten an, sogar die Rolling Stones, aber ich hatte wirklich
kein Interesse für solche Bands
Schallplattenhüllen zu gestalten. Ihre Musik gefiel mir nicht.
Für das Arhoolie-Label entwarfen
sie später eine wunderbare Plattenhülle für ein Album der Gruppe The Klezmorim.
Sagte Ihnen Klezmer-Musik besser zu?
Robert Crumb: Auf jeden Fall!
Ich kannte den Betreiber von Arhoolie Records, besagten Chris Strachwitz, schon
länger. Er ist ein noch besessener Sammler als ich. Er sammelt die alte
Tex-Mex-Musik vom Rio Grande. Er machte jeden Schellacksammler ausfindig und
besuchte ihn, um ihm seine Tex-Mex-Scheiben abzuluchsen. Er kam auch zu mir und
gab mir Blues- oder Hillbilly-Scheiben für meine mexikanischen Platten. So
lernte ich ihn kennen. Wahrscheinlich tauschte ich auch das Cover für die
Klezmorim-LP für ein paar Schellacks.
Sie traten in den 70er Jahren
als Banjospieler mit der Band The Cheap Suit Serenaders an die Öffentlichkeit.
Woher kam das Bedürfnis selber Musik zu machen?
Robert Crumb: Gewiß nicht von
meinen Eltern. Ich wollte immer schon Musik spielen, aber bekam keinerlei
Ermutigung. Ich baute mir eine Ukulele aus einer Zigarren-Schachtel. Zu meinem
12. Geburtstag bekam ich dann eine Ukulele aus Plastik mit einer Spielanleitung
(lacht höhnisch). Das war immerhin der Startschuß. Ich spielte für mich
alleine, ziemlich isoliert, machte kaum Fortschritte, weil niemand da war, der
mir etwas zeigen konnte. Erst in San Francisco 1967 traf ich ein paar Jungs,
die Old Time Music mochten. Ich kaufte mir eine kleine Banjo-Ukulele auf einem
Flohmarkt und wir fingen an, gemeinsam Musik zu machen. Ich spielte mit diesen
Burschen schon fast zwei Jahre, als eines Tages einer sagte: “Crumb, es wird
Zeit, dass du dir ein richtiges Instrument zulegst.” Er half mir ein
ordentliches Banjo zu erwerben, das ich bis heute noch ab und zu spiele. Zuerst
spielten wir nur so zum Spaß, dann aber auch in der Öffentlichkeit, wobei wir
uns The Cheap Suit Serenaders nannten. Wir spielten populäre Musik der 1920er
Jahre, ein paar Novelty-Titel, auch Ragtime-Nummern und Old Time Country Music.
In manchen Stücken setzten wir eine singende Säge ein, was sehr gut ankam, wenn
wir auf der Straße spielten. Die singende Säge zog Publikum an. Wir kämpften
uns durch ein paar schwierige Ragtime-Nummern, auf die wir sehr stolz waren,
aber kein Schwein blieb stehen. Kaum holten wir die Säge hervor, geschah das
Wunder: Schlagartig bildete sich eine Zuhörermenge und es hagelte Groschen.
Sie haben gerade die
Schöpfungsgeschichte als Comic illustriert. Warum?
Robert Crumb: Die
Schöpfungsgeschichte ist Teil des kollektiven Gedächtnisses der westlichen
Hemisphäre, sehr tief im Bewußtsein verankert. Das hat mich fasziniert. Aber
die Arbeit schleppte sich hin, es ging nur langsam voran, bis meine Frau auf
die Idee kam, mich in eine einsames Häuschen zu verfrachten, wo ich ungestört
arbeiten konnte, sonst wäre das Ding nie fertig geworden. Das war goldrichtig.
Ich zog mich in dieses Haus in den Bergen zurück. Außer meiner Frau wußte
niemand, wo ich war. Ich verbrachte Wochen dort. Meine Frau brachte mir am
Wochenende Essen, füllte den Kühlschrank. Es war himmlisch. Ich konnte mich
völlig auf die Arbeit konzentrieren. Ich hatte noch nie eine solche Situation
erlebt. Ich bekam einen ziemlich klaren Kopf. Es war wie im Kloster. Ich
arbeitete am Schöpfungsgeschichten-Comic, spielte ab und zu ein bisschen Banjo
oder Mandoline, malte etwas in mein Notizbuch, las Bücher. Paradiesisch! Ich
machte Riesenfortschritte, auch was mein musikalisches Können betraf. Ich mag
die Zurückgezogenheit. Ich arbeitete vier Jahre an der Sache. Dann hatte ich
wirklich von der Bibel genug. Also malte ich wieder Pornographie!
CD:
McCamy’s Melody Sheiks (feat.
Robert Crumb): There’s More Pretty Girls Than One (Arhoolie)
Buch:
R. Crumb: The Complete Record
Cover Collection. 267 Abbildungen. Verlag W.W. Norton, London New York 2011.
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