Das singende Pferd
Alasdair Roberts: Schottischer Folk mit schwäbischen Wurzeln
von Christoph Wagner
Alasdair
Roberts ist einer der profiliertesten Folksänger Schottlands der jüngeren
Generation. Er hat mehrere Album mit eigenen Lieder sowie traditionellen
Folksongs veröffentlicht, die von der Kritik äußerst positive aufgenommen
wurden. Zu seinen Fans zählen die Popstars Bonnie Prince Billy und Isobel
Campbell von Belle & Sebastian, mit denen Roberts zusammengearbeitet hat.
Dennoch liegen seine Wurzeln in Schwaben. Seine Mutter stammt aus Reutlingen,
und er wurde 1977 in Geislingen an der Steige geboren.
Alasdair
Roberts Karriere als Profimusiker begann, als er 1995 nach einem Konzert dem
amerikanischen Folkstar Will Oldham (alias Bonnie Prince Billy) eine
Musikcassette seiner Band Appendix Out (deutsch: Blindarm raus) in die Hand
drückte. Oldham war dermaßen beeindruckt, dass er dem 22jährigen Neuling einen
Plattenvertrag beim renommierten amerikanischen Indie-Label Drag City
verschaffte.
Seither
hat der schottische Folksänger seinen Stil mehr und mehr verfeinert, der mit
einem Bein in der Vergangenheit, mit dem anderen in der Gegenwart steht. Sein
Faible für unverfälschte traditionelle Musik hat er mit seinem aktuelles Album
“Ustan” erneut unter Beweis gestellt, das er mit der gälischen Sängerin Mairi
Morrison aufgenommen hat. Morrison stammt von der Isle of Lewis, einer der
Insel vor der Westküste von Schottland, und lernte als Kind zuerst die alte
keltische Sprache sprechen, bevor sie sich dem Englischen zuwandte.
Roberts
wuchs in einer musikalischen Familie auf, die tiefe Wurzeln nicht nur in
Schottland, sondern auch in Schwaben hat. Sein Vater Alan Roberts, ein
schottischer Folkmusiker, lernte seine Mutter, eine gebürtige
Reutlingerin, Anfang der siebziger Jahre in Südwestdeutschland kennen.
Die beiden gründeten die “Flying Scotsman”-Konzertagentur und holten berühmte
Folkgruppen und -sänger wie die Battlefield Band, die Tannahill Weavers und
Christy Moore nach Deutschland. Damals war die Folkwelle gerade in vollem Gange
und Jugendliche strömten in Massen in Konzerte mit irischen und schottischen
Musikern.
1979
zog es die Roberts-Familie mit ihren drei Kinder nach Schottland zurück.
Inspiriert von seinem Vater begann sich Alasdair Roberts schon als Teenager für
die traditionellen Songs zu interessieren. Die Leidenschaft hält bis heute an
und fördert immer wieder Neues zu Tage. So war Roberts an einem
Forschungsprojekt an der “School of Scottish Studies” in Edinburgh beteiligt,
das ein uraltes Volkstheaterstück namens “Galoshins” wieder ausgrub, welches in
Schottland vor hundert Jahren in Vergessenheit geraten war. Anhand von
historischen Quellen gelang es Roberts zusammen mit dem Handpuppenspieler Shane
Connolly vom Sokobauno Puppet Theatre das Stück als Puppentheater zu
rekonstruieren. Das
Stück beinhaltet neben virtuosem Puppenspiel eine gehörige Portion
karnevallistischen Gelächters, dazu ein singendes Pferd, das von Roberts
verkörpert wird.
Auf die Frage, ob Blues eigentlich Volksmusik sei,
antwortete einst der legendäre Bluessänger Leadbelly (bürgerlich: Huddie
Ledbetter) leicht genervt: “Was denn sonst oder hast du schon mal ein Pferd
singen gehört?” Mr. Ledbetter hatte nie Alasdair Roberts mit dem Sokobauno
Puppet Theatre gehört.
No comments:
Post a Comment