Vergilbtes Papier
Bob Dylan und Freunde widmen sich dem heiligen Hank
CW. An einem Wochenende in den späten vierziger Jahren stand die kleine Stadt Tyler inTexas Kopf. Eine fahrende Countrymusik-Show - der ‘Louisiana Hayride‘ - versetzte die Einwohnerschaft in Aufregung. Geschäfte räumten ihre Auslagen schon am Nachmittag weg und der Friseur schloß ein paar Stunden früher. Jeder eilte nach Hause, um sich fein zu machen für das Ereignis, dessen Hauptattraktionen Hank Williams war.
Am Tag zuvor hatten Lastwagen ein großes Zelt in den Ort gebracht. Eine Lautsprecher-Anlage wurde aufgebaut und Stühle aufgereiht. “Es war wie ein Zirkus. Alle gingen hin - von den Kindern bis zu den Großeltern,” erinnert sich Bill Malone, der später Professor für Countrymusik wurde. “Holzpaletten wurden auf den Boden gelegt, damit die Kinder schlafen konnte, wenn sie müde wurden, bevor die Show zu Ende war.”
Damals war Hank Williams auf dem Sprung nach oben. Er hatte bereits ein paar Hits in den Charts gehabt und drängte nun in die “Grand Ole Opry” in Nashville, die populärste Countrymusik-Radioshow der USA. Als er schließlich akzeptiert wurde, war es nicht deshalb, weil sie ihn unbedingt wollten. Im Gegenteil - jeder im Countrymusikgeschäft wußte von seinem Alkoholproblem. Vielmehr konnten sie ihn nicht länger übergehen, so populär war er damals. Der Schritt an die Spitze erwies sich allerdings als die erste Stufe auf dem Weg nach unten. Nach zwei Jahren wurde Hank Williams 1952 aus der “Grand Ole Opry” gefeuert. Seine Trunksucht machte ihn immer unberechenbarer.
Das Geheimnis seines Erfolgs war die Ernsthaftigkeit seiner Songs. Albernheiten und Belanglosigkeiten kamen nicht vor. Sie erzählten Geschichten, in denen sich die Leute wiedererkannten. Und er konnte sie überzeugend vortragen. Williams sang von der harten Seite des Lebens und man merkte, dass da einer aus Erfahrung sprach. Eine schlimme Kindheit musste er sich nicht andichten - die hatte er am eigenen Leibe erfahren. 1923 in einer Kleinstadt in Alabama geboren, mußte er schon früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Der Vater brachte kaum Geld heim, war meistens arbeitslos oder krank. Der Junge verdingte sich als Zeitungsverkäufer und Schuhputzer. An Straßenecken verkaufte er geröstete Erdnüsse, die ihm seine Mutter in kleinen Tütchen abgepackt hatte. Schnell lernte er die Tricks, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen. Songs steigerten den Absatz.
Weil Williams an einer Rückgratschwäche litt, die ihm ständige Schmerzen bereitete, blieb ihm schwere körperliche Arbeit in der Kindheit erspart. Dafür übte er im Vorgarten auf der Gitarre. Mit vierzehn hatte er eine Band beisammen und trat bei Grillfesten und Hausparties auf. Es dauerte nicht lange, bis “The singing kid” im Lokalradio kam. In seiner Musik mischten sich Hymnen der Baptistenkirche, wo er jeden Sonntag mit seiner Mutter im Gottesdienst sang, mit dem Blues seines schwarzen Mentors Rufus Payne, den er beim Musizieren auf der Straße getroffen hatte und dem er so hartnäckig gefolgt war, bis er ihm ein paar Gitarrengriffe und Lieder beigebracht hatte.
Das Leben kannte kein Pardon. Williams trank zuviel, war in Schlägereien verwickelt, gelegentlich sogar mit der Polizei, die ihn öfters in Gewahrsam nahm. Wenn er Geld hatte, haute er es in Spelunken auf den Kopf. Zeitweise war er so abgebrannt, dass er die Gitarre an den Nagel hängte, um als Werftarbeiter oder Schweißer ein Notbrot zu verdienen. Doch aufgeben war nicht drin. Sein Rückenleiden ließ ihm keine andere Wahl: Er musste es als Sänger schaffen!
Williams hatte Talent fürs Liederschreiben. In manchen Jahren brachte er ein halbes Dutzend Nummern in die Charts. Mit dem Erfolg verschwanden die materiellen Sorgen, doch andere Dämonen traten umso stärker hervor. Das Rückenleiden verschlimmerte sich, was ihn zu schmerzmildernden Mittel greifen ließ, Morphium eingeschlossen. Sein Alkoholkonsum geriet außer Kontrolle. Wegen Gewaltausbrüchen gegenüber seiner Frau ging seine Ehe zu Bruch. Er war keine 30 Jahre alt, als er auf dem Rücksitz einer Limosine auf der Fahrt zu einem Auftritt an Herzversagen starb.
Seine Songs wurden zu Klassikern. Von Louis Armstrong bis Elvis Presley, von James Brown bis zu den Bee Gees - alle haben Hanks Lieder gesungen. Williams hatte ein paar kleine gebundene Notizbücher hinterlassen, in die er Gedanken, Liedideen und Textfragmente gekritzelt hatte. Nach einer Odyssee von fast 60 Jahren landeten sie bei Bob Dylan, der Williams immer verehrt hatte: “Der Klang seiner Stimme ging mir durch Mark und Bein!”
Dylan vollendete den ersten Song aus den “Lost Notebooks” und bat befreundete Musiker sich ebenfalls ein Fragment vorzunehmen und fertig zu stellen. Das Ergebnis sind zwölf neue Lieder - Quasi-Kooperationen zwischen Hank Williams und Singer/Songwritern wie Norah Jones, Jack White und Sheryl Crow. Sie haben die Songs dem toten Papier entrissen und ihnen neues Leben eingehaucht, mit so viel Respekt, Einfühlungsvermögen und Musikalität, dass der Heilige Hank sicher zufrieden gewesen wäre.
Bob Dylan, Norah Jones, Jack Withe u.a. : Hank Williams -The Lost Notebooks (Sony)
Hank Williams: No More Darkness (Trikont)
Am Tag zuvor hatten Lastwagen ein großes Zelt in den Ort gebracht. Eine Lautsprecher-Anlage wurde aufgebaut und Stühle aufgereiht. “Es war wie ein Zirkus. Alle gingen hin - von den Kindern bis zu den Großeltern,” erinnert sich Bill Malone, der später Professor für Countrymusik wurde. “Holzpaletten wurden auf den Boden gelegt, damit die Kinder schlafen konnte, wenn sie müde wurden, bevor die Show zu Ende war.”
Damals war Hank Williams auf dem Sprung nach oben. Er hatte bereits ein paar Hits in den Charts gehabt und drängte nun in die “Grand Ole Opry” in Nashville, die populärste Countrymusik-Radioshow der USA. Als er schließlich akzeptiert wurde, war es nicht deshalb, weil sie ihn unbedingt wollten. Im Gegenteil - jeder im Countrymusikgeschäft wußte von seinem Alkoholproblem. Vielmehr konnten sie ihn nicht länger übergehen, so populär war er damals. Der Schritt an die Spitze erwies sich allerdings als die erste Stufe auf dem Weg nach unten. Nach zwei Jahren wurde Hank Williams 1952 aus der “Grand Ole Opry” gefeuert. Seine Trunksucht machte ihn immer unberechenbarer.
Das Geheimnis seines Erfolgs war die Ernsthaftigkeit seiner Songs. Albernheiten und Belanglosigkeiten kamen nicht vor. Sie erzählten Geschichten, in denen sich die Leute wiedererkannten. Und er konnte sie überzeugend vortragen. Williams sang von der harten Seite des Lebens und man merkte, dass da einer aus Erfahrung sprach. Eine schlimme Kindheit musste er sich nicht andichten - die hatte er am eigenen Leibe erfahren. 1923 in einer Kleinstadt in Alabama geboren, mußte er schon früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Der Vater brachte kaum Geld heim, war meistens arbeitslos oder krank. Der Junge verdingte sich als Zeitungsverkäufer und Schuhputzer. An Straßenecken verkaufte er geröstete Erdnüsse, die ihm seine Mutter in kleinen Tütchen abgepackt hatte. Schnell lernte er die Tricks, um die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen. Songs steigerten den Absatz.
Weil Williams an einer Rückgratschwäche litt, die ihm ständige Schmerzen bereitete, blieb ihm schwere körperliche Arbeit in der Kindheit erspart. Dafür übte er im Vorgarten auf der Gitarre. Mit vierzehn hatte er eine Band beisammen und trat bei Grillfesten und Hausparties auf. Es dauerte nicht lange, bis “The singing kid” im Lokalradio kam. In seiner Musik mischten sich Hymnen der Baptistenkirche, wo er jeden Sonntag mit seiner Mutter im Gottesdienst sang, mit dem Blues seines schwarzen Mentors Rufus Payne, den er beim Musizieren auf der Straße getroffen hatte und dem er so hartnäckig gefolgt war, bis er ihm ein paar Gitarrengriffe und Lieder beigebracht hatte.
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