Thursday, 11 October 2012

FREEJAZZ: Das Label FMP


Freejazz-Aufbruch
 
Mehr als 40 Jahre lang dokumentierte das FMP-Label den kreativen Jazz in Deutschland

                                                             Alexander von Schlippenbach
 
von Christoph Wagner

Es war eines der ersten unabhängigen Schallplatten-Labels und wurde anfangs als Kooperative von den Musikern selber geführt: die Free Music Production (=FMP) präsentierte mehr als 40 Jahre lang den kreativen Jazz der bundesdeutschen Szene. Letztes Jahr trat die Firma mit einem mächtigen Schlußakkord von der Bühne. Eine Box mit 12 CDs und einem dicken Dokumentarband (Titel: FMP - Im Rückblick / In Restropect) setzte einen Endpunkt hinter ein bedeutendes Kapitel deutscher Jazzgeschichte.
 
Die Turbulenzen kamen von der anderen Seite des AtIantiks und erfaßten Mitte der 60er Jahre auch die bundesdeutsche Jazzszene. Eine kleine Gruppe von knapp dreißig Musiker probte den Aufstand. “Befreit den Jazz von allen Konventionen!” lautete der Schlachtruf. Die jungen Radikalen spielten eine revolutionäre Musik, die für Wirbel sorgte. Eine eigenständige europäische Jazzmusik jenseits der amerikanischen Vorbilder wurde angepeilt. Man wollte nicht länger “Second-Hand-Jazz” spielen, wie es der Trompeter Manfred Schoof ausdrückte. Die Musik schlug ein, löste ein kleines Erdbeben aus.
 
Peter Brötzmann (Jahrgang 1941) war der Extremste. Der Wuppertaler Saxofonist schleuderte Töne mit ungeheurer Wucht heraus. Sein Spiel glich einem einzigen langen markerschütternden Schrei. In der Presse war vom “Klanggemetzel der Brötzmänner” die Rede.
 
Der Schock war groß. Freejazz wurde mit Tumult und Aufruhr gleichgesetzt. Manche hielten es für den Untergang des Abendlands. In hitzigen Debatten entlud sich den Unmut. “Nach einem Stück, in der Pause oder nach dem Konzert gab es oft heftigste Diskussionen, die äußerst kontrovers verliefen”, erinnert sich Rudi Theilmann vom Modern Jazz Quintett Karlsruhe. “Die Musik wurde von vielen als schwierig empfunden, hat manche Zuhörer regelrecht entsetzt.”
 
Das machte es für die jungen Jazzer schwer, vom Musikmachen allein über die Runden zu kommen, denn Auftrittsplätze waren rar und das Publikum klein. Mit Nebenjobs verdiente man ein Zubrot - prekäre Zeiten!
 
Wenn die Freejazz-Gruppen an Orten auftraten, die nicht unbedingt von
Fans frequentiert wurden, wie in Studentenkneipen, konnte es zu brenzligen Situationen kommen. Manchmal machte sich der Unmut ganz praktisch Luft. Da flog dann schon mal eine Bierdose oder es kam zu Rempeleien bis Handgreiflichkeiten.
 
Da das Interesse bei der Schallplatten-Industrie gering war, nahmen die Musiker die Plattenproduktion selbst in die Hand: 1969 gründete sie die Free Music Production (FMP). “Bis dahin haben wir passiv gewartet, ob uns irgend eine Firma ein Angebot macht,” erinnert sich Pianist Alexander von Schlippenbach. “Da konnte man unter Umständen lange warten. Wir haben dann einen Vertrieb organisiert. Selbst in Japan gab es Abnehmer. Anfangs haben wir Musiker alles selber gemacht, dann versucht, es besser zu organisieren, indem wir Jost Gebers 1976 als Geschäftsführer einsetzten.” 
 
Gebers dokumentierte auf dem FMP-Label nicht nur die bundesdeutsche Freejazz-Szene, sondern nahm bald auch Konakt zu Gleichgesinnten in die DDR auf, woraus sich ein kleiner innerdeutscher musikalische Grenzverkehr ergab. Nun erschienen bei der Free Music Production auch Platten der Ostdeutschen Ernst-Ludwig Petrowsky, Ulrich Gumpert und Günter Sommer. Dazu kamen Kooperationen mit Improvisatoren aus Holland, England und der Schweiz, später auch Einspielungen mit kreativen Jazzmusikern aus den USA, wie dem Pianisten Cecil Taylor. Kurzum: auf FMP gab sich die internationale Avantgarde ein Stelldichein.
 
So sind im Laufe der mehr als 40-jährigen Geschichte des Labels ca. 150 Langspielplatten und noch einmal genauso viele CDs entstanden. Die besten davon hat Gebers jetzt, bevor er in Ruhestand geht, noch einmal in einer CD-Box zusammengefasst. Das beiliegende Buch, schön bebildert, rekapituliert dazu diesen bedeutenden Abschnitt bundesdeutscher Jazzhistorie.
CD-Box mit Buch:
FMP im Rückblick / In Retrospect (FMP/Fenn Music)

Mehr Information: http://www.fmp-label.de

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