FREEJAZZ: Das Label FMP
Freejazz-Aufbruch
Mehr als 40 Jahre lang
dokumentierte das FMP-Label den kreativen Jazz in Deutschland
Alexander von Schlippenbach
von Christoph Wagner
Es war eines der ersten
unabhängigen Schallplatten-Labels und wurde anfangs als Kooperative von den
Musikern selber geführt: die Free Music Production (=FMP) präsentierte mehr als
40 Jahre lang den kreativen Jazz der bundesdeutschen Szene. Letztes Jahr trat die
Firma mit einem mächtigen Schlußakkord von der Bühne. Eine Box mit 12 CDs und
einem dicken Dokumentarband (Titel: FMP - Im Rückblick / In Restropect) setzte einen Endpunkt hinter ein bedeutendes Kapitel deutscher Jazzgeschichte.
Die Turbulenzen kamen von
der anderen Seite des AtIantiks und erfaßten Mitte der 60er Jahre auch die
bundesdeutsche Jazzszene. Eine kleine Gruppe von knapp dreißig Musiker probte
den Aufstand. “Befreit den Jazz von allen Konventionen!” lautete der
Schlachtruf. Die jungen Radikalen spielten eine revolutionäre Musik, die für
Wirbel sorgte. Eine eigenständige europäische Jazzmusik jenseits der
amerikanischen Vorbilder wurde angepeilt. Man wollte nicht länger
“Second-Hand-Jazz” spielen, wie es der Trompeter Manfred Schoof ausdrückte. Die
Musik schlug ein, löste ein kleines Erdbeben aus.
Peter Brötzmann (Jahrgang
1941) war der Extremste. Der Wuppertaler Saxofonist schleuderte Töne mit
ungeheurer Wucht heraus. Sein Spiel glich einem einzigen langen
markerschütternden Schrei. In der Presse war vom “Klanggemetzel der
Brötzmänner” die Rede.
Der Schock war groß.
Freejazz wurde mit Tumult und Aufruhr gleichgesetzt. Manche hielten es für den
Untergang des Abendlands. In hitzigen Debatten entlud sich den Unmut. “Nach
einem Stück, in der Pause oder nach dem Konzert gab es oft heftigste
Diskussionen, die äußerst kontrovers verliefen”, erinnert sich Rudi Theilmann
vom Modern Jazz Quintett Karlsruhe. “Die Musik wurde von vielen als schwierig
empfunden, hat manche Zuhörer regelrecht entsetzt.”
Das machte es für die
jungen Jazzer schwer, vom Musikmachen allein über die Runden zu kommen, denn
Auftrittsplätze waren rar und das Publikum klein. Mit Nebenjobs verdiente man
ein Zubrot - prekäre Zeiten!
Wenn die Freejazz-Gruppen
an Orten auftraten, die nicht unbedingt von
Fans frequentiert wurden,
wie in Studentenkneipen, konnte es zu brenzligen Situationen kommen. Manchmal
machte sich der Unmut ganz praktisch Luft. Da flog dann schon mal eine Bierdose
oder es kam zu Rempeleien bis Handgreiflichkeiten.
Da das Interesse bei der
Schallplatten-Industrie gering war, nahmen die Musiker die Plattenproduktion
selbst in die Hand: 1969 gründete sie die Free Music Production (FMP). “Bis
dahin haben wir passiv gewartet, ob uns irgend eine Firma ein Angebot macht,”
erinnert sich Pianist Alexander von Schlippenbach. “Da konnte man unter
Umständen lange warten. Wir haben dann einen Vertrieb organisiert. Selbst in
Japan gab es Abnehmer. Anfangs haben wir Musiker alles selber gemacht, dann
versucht, es besser zu organisieren, indem wir Jost Gebers 1976 als
Geschäftsführer einsetzten.”
Gebers dokumentierte auf
dem FMP-Label nicht nur die bundesdeutsche Freejazz-Szene, sondern nahm bald
auch Konakt zu Gleichgesinnten in die DDR auf, woraus sich ein kleiner
innerdeutscher musikalische Grenzverkehr ergab. Nun erschienen bei der Free
Music Production auch Platten der Ostdeutschen Ernst-Ludwig Petrowsky, Ulrich
Gumpert und Günter Sommer. Dazu kamen Kooperationen mit Improvisatoren aus
Holland, England und der Schweiz, später auch Einspielungen mit kreativen
Jazzmusikern aus den USA, wie dem Pianisten Cecil Taylor. Kurzum: auf FMP gab
sich die internationale Avantgarde ein Stelldichein.
So sind im Laufe der mehr
als 40-jährigen Geschichte des Labels ca. 150 Langspielplatten und noch einmal
genauso viele CDs entstanden. Die besten davon hat Gebers jetzt, bevor er in
Ruhestand geht, noch einmal in einer CD-Box zusammengefasst. Das beiliegende
Buch, schön bebildert, rekapituliert dazu diesen bedeutenden Abschnitt
bundesdeutscher Jazzhistorie.
CD-Box mit Buch:
FMP im Rückblick / In
Retrospect (FMP/Fenn Music)
Mehr Information: http://www.fmp-label.de
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