Zwischen Jazz, Pop und Nachtclub
Die kanadische Sängerin Holly
Cole gewinnt alten Songs neue Seiten ab
CW. Holly Cole ist eine Expertin für
Stimmungen. Empfindsamkeit und Einfühlingsvermögen sind ihr Metier. Die
Kanadierin besitzt eine nuancenreiche Stimme, die es ihr erlaubt, einen Song in
seiner ganzen Gefühlstiefe auszuleuchten. Selbst abgedroschenen Hitparadennummern
gibt die Sängerin neuen Glanz, indem sie ihnen ungeahnte Facetten abgewinnt.
Holly Cole, 1963 in Halifax,
Nova Scotia geboren, ist seit über 20 Jahren auf der internationalen Musikszene
aktiv. 1990 erschien ihr erstes Album, das ihren Ruf begründete, eine der besten
Chansoneusen zwischen Jazz, Pop und Nachtclub zu sein. Und seitdem hat sie
weiter an Profil gewonnen.
Die Vokalistin stammt aus einer Familie,
in der Musik den Alltag bestimmte. Ihr Vater war einst ein Klavierwunderkind
gewesen und ihre Mutter hatte ebenfalls klassisches Piano studiert. Ein Onkel
trat am Broadway auf, und ihr Großvater spielte Akkordeon in der Band vom
Countrysänger Hank Snow. Wenn das keine Prägung ist!
Ohne Wissen ihrer Eltern,
trampte Cole als Teenager 500 km von Kanada nach Boston, Massachusetts um ihren
Bruder zu besuchen, der dort an der berühmten Berklee School of Music
studierte. In den Clubs der Stadt hörte sie zum ersten Mal Jazz und war derart
fasziniert, dass sie sicher war, ihre
Bestimmung fürs Leben gefunden zu haben.
Wieder daheim vertiefte sich mehr
und mehr in den Stil, studierte die Gesangstechniken große Jazzvokalistinnen
wie Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan und eiferte ihnen nach. In Piano Bars
wurden erste Auftritte absolviert. Cole kam an und gewann an Sicherheit. Ihr
erstes Album “Girl Talk” wurde zu einem Achtungserfolg mit mehr als 50 000
verkauften Scheiben. Vom übernächste Album ging sogar die doppelte Quantität
über den Ladentisch. Die Karrierekurve zeigte nach oben.
Für ihr neues Album hat Holly
Cole wieder im fiktiven “Great American Songbook” geblättert und ein paar markante
Songs ausgewählt, die heute nicht mehr von Cole Porter oder George Gershwin
stammen, sondern von Tom Waits und Captain Beefheart. Dazu hat die Kanadierin
noch einen Klassiker von Jacques Brel ins Programm genommen sowie die
Titelmelodie des Bond-Klassikers “You only live twice”, für die einst Nancy
Sinatra verantwortlich zeichnete. “Ich muss mich mit einem Lied voll
identifizieren, sonst ist es nichts für mich”,
sagt die Sängerin. “Manche Kollegen können ein Jingle für eine
Mayonnaise-Werbung im Fernsehen mit großer Überzeugungskraft singen. Dieses
Talent besitze ich nicht. Ich muss hinter einem Song total stehen, um ihn
interpretieren zu können, sonst klappt es nicht.”
Nur ein einziges Lied ihres
neuen Albums stammt aus Coles eigener Feder. “Wenn man Lieder solche Meister
singt, liegt die Latte hoch. Das war mein einziges Lied, von dem ich das Gefühl
hatte, das es gegenüber den anderen bestehen könnte,” räumt sie bescheiden ein.
Diese vielfältige Mischung aus
Songs unterzieht Cole einer einfühlsamen Behandlung, kriecht in die Melodien hinein
und tastet die Verse ab, um ihnen neuen Bedeutung einzuhauchen. Produzent Greg
Cohen, der einst als musikalischer Leiter bei Tom Waits wirkte, steuert eine
Reihe brillanter Arrangements bei, die durch ihre ungeheure Aufmerksamkeit für
kleinste Details und ihren Sinn für Dramaturgie aufhorchen lassen. Einmal sorgt
ein Baritonsaxofon für Soul-Feeling, ein andermal ein Perkussionseffekt für
geisterhafte Atmosphäre. Eine Nummer von Tom Waits wird als Rumba inszeniert.
Derart überzeugend
instrumentiert und empfindsam intoniert, verwandeln sich selbst harmlose Chartshits
wie “Viva Las Vegas” in Evergreens mit Tiefgang. Holly Cole liefert nicht nur
solides Handwerk, sondern hohe Kunst.
Holly Cole: Night (Tradition & Moderne)
Holly Cole: Night (Tradition & Moderne)
No comments:
Post a Comment