Tuesday, 6 November 2012

Hörempfehlung 9: HOLLY COLE zwischen Jazz, Pop und Nachtclub



Zwischen Jazz, Pop und Nachtclub

Die kanadische Sängerin Holly Cole gewinnt alten Songs neue Seiten ab


 CW. Holly Cole ist eine Expertin für Stimmungen. Empfindsamkeit und Einfühlingsvermögen sind ihr Metier. Die Kanadierin besitzt eine nuancenreiche Stimme, die es ihr erlaubt, einen Song in seiner ganzen Gefühlstiefe auszuleuchten. Selbst abgedroschenen Hitparadennummern gibt die Sängerin neuen Glanz, indem sie ihnen ungeahnte Facetten abgewinnt.

Holly Cole, 1963 in Halifax, Nova Scotia geboren, ist seit über 20 Jahren auf der internationalen Musikszene aktiv. 1990 erschien ihr erstes Album, das ihren Ruf begründete, eine der besten Chansoneusen zwischen Jazz, Pop und Nachtclub zu sein. Und seitdem hat sie weiter an Profil gewonnen.

Die Vokalistin stammt aus einer Familie, in der Musik den Alltag bestimmte. Ihr Vater war einst ein Klavierwunderkind gewesen und ihre Mutter hatte ebenfalls klassisches Piano studiert. Ein Onkel trat am Broadway auf, und ihr Großvater spielte Akkordeon in der Band vom Countrysänger Hank Snow. Wenn das keine Prägung ist!

Ohne Wissen ihrer Eltern, trampte Cole als Teenager 500 km von Kanada nach Boston, Massachusetts um ihren Bruder zu besuchen, der dort an der berühmten Berklee School of Music studierte. In den Clubs der Stadt hörte sie zum ersten Mal Jazz und war derart fasziniert, dass sie  sicher war, ihre Bestimmung fürs Leben gefunden zu haben.

Wieder daheim vertiefte sich mehr und mehr in den Stil, studierte die Gesangstechniken große Jazzvokalistinnen wie Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan und eiferte ihnen nach. In Piano Bars wurden erste Auftritte absolviert. Cole kam an und gewann an Sicherheit. Ihr erstes Album “Girl Talk” wurde zu einem Achtungserfolg mit mehr als 50 000 verkauften Scheiben. Vom übernächste Album ging sogar die doppelte Quantität über den Ladentisch. Die Karrierekurve zeigte nach oben.

Für ihr neues Album hat Holly Cole wieder im fiktiven “Great American Songbook” geblättert und ein paar markante Songs ausgewählt, die heute nicht mehr von Cole Porter oder George Gershwin stammen, sondern von Tom Waits und Captain Beefheart. Dazu hat die Kanadierin noch einen Klassiker von Jacques Brel ins Programm genommen sowie die Titelmelodie des Bond-Klassikers “You only live twice”, für die einst Nancy Sinatra verantwortlich zeichnete. “Ich muss mich mit einem Lied voll identifizieren, sonst ist es nichts für mich”,  sagt die Sängerin. “Manche Kollegen können ein Jingle für eine Mayonnaise-Werbung im Fernsehen mit großer Überzeugungskraft singen. Dieses Talent besitze ich nicht. Ich muss hinter einem Song total stehen, um ihn interpretieren zu können, sonst klappt es nicht.”

Nur ein einziges Lied ihres neuen Albums stammt aus Coles eigener Feder. “Wenn man Lieder solche Meister singt, liegt die Latte hoch. Das war mein einziges Lied, von dem ich das Gefühl hatte, das es gegenüber den anderen  bestehen könnte,” räumt sie bescheiden ein.

Diese vielfältige Mischung aus Songs unterzieht Cole einer einfühlsamen Behandlung, kriecht in die Melodien hinein und tastet die Verse ab, um ihnen neuen Bedeutung einzuhauchen. Produzent Greg Cohen, der einst als musikalischer Leiter bei Tom Waits wirkte, steuert eine Reihe brillanter Arrangements bei, die durch ihre ungeheure Aufmerksamkeit für kleinste Details und ihren Sinn für Dramaturgie aufhorchen lassen. Einmal sorgt ein Baritonsaxofon für Soul-Feeling, ein andermal ein Perkussionseffekt für geisterhafte Atmosphäre. Eine Nummer von Tom Waits wird als Rumba inszeniert.

Derart überzeugend instrumentiert und empfindsam intoniert, verwandeln sich selbst harmlose Chartshits wie “Viva Las Vegas” in Evergreens mit Tiefgang. Holly Cole liefert nicht nur solides Handwerk, sondern hohe Kunst. 

Holly Cole: Night (Tradition & Moderne)

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