Gastbeitrag von Simon Steiner
Musik aus der Seele
Solon Lekkas: Erinnerungen an einen Musiker von der Insel Lesbos
"Singen ist wie schwimmen" (Solon Lekkas)
Solon Lekkas wurde 1946 in Pigi, Lesbos, geboren und starb im Juli 2020 an Krebs. Sein Vater war Arvanite, seine Mutter hatte kleinasiatische Wurzeln. Solon war überzeugter Autodidakt und kein Notist, seine Musik kam, so Solon, aus seiner Seele. Er trommelte auf der Toumbeleki, sang in einem einzigartigen Stil traditionelle Lieder seiner Insel, Lieder aus Kleinasien, Amanes und Rembetika. Schon als Kind war er von den Einschlafliedern und Frauen-Gesängen aus Hinterhöfen, Karnevalsumzügen und den Weisen der alten Männer in Kafenions fasziniert. Solon war Baumeister und Steinmetz, errichtete aus Naturstein Brunnen, Kapellen, Öfen und Trockenmauern, die die Oliven-Hänge sicherten. "Stein und Musik sind gleich", sagte Lekkas und sang oder pfiff, wenn er mauerte. Lekkas war Selbstversorger, Wein, Ouzo, Öl, Brot, Käse, er stellte alles selbst her. Er besaß Ziegen und Hühner und ritt auf seinem Esel. Am liebsten sang Solon in kleinen Tavernen im engeren Kreis, denn sein feeling konnte er nicht auf Befehl ausdrücken. Als er seinen Wehrdienst ausübte, wurde er eher zum Mikrophon als zur Waffe zitiert.
Von 1996 bis 1997 sang er regelmäßig in der Taverne "Boudroumi" in Mytilene. Dort traf er Profis und Amateur-Musiker aus Lesbos, aus Griechenland und der Türkei. Solonas ' Tavernen-Auftritte auf Lesbos waren überschaubar. Im Rahmen von touristischen Festivals oder Folklore-Aufführungen, wie dem Ouzo-Festival auf Lesbos wurde er - aus Nostalgie - ins Rampenlicht gehievt. Begehrter war er in Thessaloniki und Athen, in anderen Teilen Griechenlands und im Ausland, wo er regelmäßig auftrat und als Marke für das wahre Östliche und Exotische stand.
Solon produzierte in Eigenregie 5 CD, die er in Anspielung auf den athenischen Staatsmann Solon "Die Gesetze von Solon" nannte und auf Konzerten anbot. Das Label Music Corner veröffentlichte dazu eine Compilation: "I nomi tou Solona" (Songs from Mytilini / Lesvos & Minor Asia)
2000 erscheint im Rahmen eines Forschungsprogramms seine Aufnahme "Ark of the Aegean" mit 14 Songs über den Alltag, Feste und Feiern auf Lesbos. Lekkas wird schließlich personifizierte Quelle für die Geschichtsforschung: Feldstudien, Vorträge, Fernsehshows und Dokumentarfilme, z.B. "Methexis" und "Solos, taximi in time" fokussieren sich auf Lekkas. 2011 wurde die CD "The Laws of Solon" mit musikwissenschaftlichem Begleitheft veröffentlicht.
Seine Begleitmusiker spielen meist auf Instrumenten, auf denen Mikronoten erklingen können: Oud, Santur, Kanun oder Viola haben in den Ohren von Westeuropäern einen orientalischen Touch. Lekkas tanzt Syrto - oder Zeimbekiko-Einlagen, kreist, kauert, kniet ... . Plötzlich erhöht Lekkas per Oktavsprung seine Stimme, als ob sich ein Pferd aufbäumt und Solon schießt in die Höhe. Die traurigen, fernöstlichen Amanes klingen nach Schmerz und Leid. Seine Amanes (s. Gastbeitrag von Simon Steiner http://christophwagnermusic.blogspot.com/2020/12/das-kosmopolitische-smyrna-und-seine.html) machten ihn einzigartig. Er gehörte zu den Wenigen, die sich trauten, in Ausnahmefällen spontan los zu singen und er hat Verständnis für die seltene Interpretation der Amanes, "weil nur wenige sie aufgrund ihrer Schwierigkeit ausprobieren."
In Lekkas verschwimmen vergangene Kriege, verlorene Territorien, Kontinente und Traditionen ala turka und ala greca. Lesbos ist nur wenige Seemeilen von der Türkei entfernt: "Es ist genau gegenüber, wir machen die gleiche Musik!" sagte Lekkas. Er sang auf griechisch und auf türkisch aber griechischen Weisen verpasste er immer einen Hauch ala turka, obwohl er argumentierte, die griechischen Amanes wären "byzantinisch, viel sanfter". In ihm sind die Wurzeln Griechenlands, Kleinasiens und das alltägliche Leben der Insel Lesbos gegenwärtig. Und doch ist es viel mehr als Folklore, wenn er auf seinem Pferd daher reitet, alte Geschichten im Dialekt erzählt, wenn er live auf seine Häppchen, verweist: "Alles aus Mytilini!" Traditionen werden wiederbelebt und das Leben erscheint stabil und unveränderlich. Alte Rituale haben Gültigkeit!
Solon bevorzugte für Live-Auftritte ein traditionelles Männerkostüm der Insel, mit dem er vergangene Tage bewusst idealisierte: Schwarzer Reithose, schwarze Weste und ein schwarzes oder weißes Hemd. Ein schwarzer Gürtel hält die Hose und auch bestimmte rituelle Gegenstände wie ein Messer. Auch Socken und Stiefel, der "Kalpaki" oder "Katsoula", der Pelzhut waren schwarz. Solons Lieblingsaccessoires waren ein Rosenkranz (Komboloi) und ein roter Schal, den er auch als gewickeltes Kopftuch trug.
Tourismus, Medien und Handel europäisierten Lesbos. Die Destillerien der Insel decken etwa 50 % der gesamten griechischen Ouzo-Produktion. Die Haupteinnahmequelle ist das qualitativ hochwertige Olivenöl aus 11 Millionen Bäumen. Die Insel erlangte als ein Symbol der Flüchtlingskrise in Europa internationale Medienaufmerksamkeit. Musik, Kulinarisches aus Lesbos, Traditionen und Authentizität sind nicht nur medial gefragt. Die Menschen im In - und Ausland lieben konservative Persönlichkeiten wie Solon Lekkas. Er wird in die Geschichte der Insel eingehen und ist ein Meilenstein griechischer Musik.
Dieser Artikel basiert auf der Arbeit von Dora Spetsioti:
"SOLONAS FROM MYTILINI ARTISTIC PRESENCE, PERFORMANCE, SYMBOLS".
Arta, Juni, 2020
Playlist von Dora Spetsioti,
https://www.youtube.com/playlist?list=PLOQwQhWSvGQGGdwXvkl4Kjo0rjSJfL1He
Solon und der typische Insel-Tourismus:
https://www.youtube.com/watch?v=apoRBmbFOkA&feature=youtu.be
Ein Dokumentarfilm über Solonas Lekkas von seinem Freund Giannis Adrimis:
Solon Lekkas auf Instagram:
No comments:
Post a Comment