Alchemie des magischen Songs
Bob Dylans musik-philosophische Spaziergänge
cw. Bob Dylan hat wieder ein Buch geschrieben, allerdings keine Fortsetzung seiner Autobiographie, sondern eine „Philosophie des modernen Songs“. Darin analysiert er 66 zeitgenössische Lieder, denen er ein paar grundlegende Erkenntnisse abgewinnt.
Dylan geht nach einem bestimmten Schema vor: Zuerst wird der Inhalt eines Songs erläutert. Er erklärt, um was es eigentlich geht. Dann stellt er das Lied in seinen Kontext, erläutert den Zusammenhang, in dem es historisch, sozial oder politisch steht, und liefert relevante Informationen zum Interpreten, Verfasser oder Produzenten, als Besteck zur Interpretation.
Dylan vergleicht den einen Song mit anderen aus dem selben Themenkreis und stellt die eine Fassung ins Verhältnis zu einer anderen, um so die jeweiligen Besonderheiten herauszuarbeiten, wobei er nicht nur bei einer Theorie des guten Songs landet, sondern bei Erkenntnissen und Lehren über das Leben allgemein.
Unter den 66 Songs sind Lieder aus allen möglichen Stilen. Sie stammen aus dem Tin Pan Alley-Repertoire, aus Blues, Folk, Hillbilly, Country, Rock und Pop. Etliche gehören nicht zum Allgemeingut der Hits, die jeder kennt. Vielmehr sind es Lieder aus Bob Dylans geheimen Song-Universum. Das ist heutzutage kein Manko mehr, weil ja auf Computer-Knopfdruck jeden Song sofort zu hören ist. So werden Dylans Liederkundungen zur spannenden Entdeckungsreise.
Als Kontrastprogramm nimmt sich Dylan auch Gassenhauer wie „Black Magic Woman“ (Santana) oder „My Generation“ (The Who) vor, über die er ebenfalls Erhellendes mitzuteilen weiß und gleichzeitig mit ein paar Weisheiten aufwarten kann. Etwa: „Was zählt, sind die Gefühle, die ein Song bei seinen Hörern in Hinblick auf das eigene Leben hervorruft.“
Eine zweite Erkenntnis entwindet er dem Song „Blue Moon“ gesungen vom amerikanischen „Crooner“ Dean Martin, einem unverwüstlichen Evergreen. „Sein Reiz liegt in seiner Rätselhaftigkeit“, schreibt Dylan, um dann zu urteilen: „Die Einfachheit des Textes macht es universell, aber es enthält zugleich genügend Details, die es davor bewahren, gewöhnlich zu sein.“
Am Schluß bleibt die Erkenntnis: Ein guter Song ist komplex, was nicht schwierig bedeutet, sondern emotional vielschichtig. Hinter Freude kann sich Trauer verbergen, während Trauer zu einer Quelle der Freude werden kann. Bob Dylan, der Meister, weiß wovon er spricht.
Bob Dylan: Die Philosophie des modernen Song.
(C.H. Beck; 352 Seiten, reich bebildert; Euro 35.-)
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