KLASSIK JAZZMÄßIG VERDREHT
Der portugiesische Bassist Carlos Bica huldigt Ludwig van Beethoven
3 1/2 von 5 Sternen
cw. Im gleichen Jahr wie Hegel und Hölderlin 1770 geboren, fielen die Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven 2020 der Pandemie zum Opfer. Das sollte jedoch kein Grund sein, sich nicht weiterhin mit dem Komponistengott zu befassen, dafür sind seine Werke viel zu epochal. Man denke nur an die späten Streichquartette, diese verstörend unorthodoxen Rätselstücke, die wie verschlungene Fantasiegespinste nahezu undurchdringlich und kaum fassbar erscheinen.
Der portugiesische Kontrabassist Carlos Bica hat eine engere Beziehung zu Beethoven. Jahre lang hat er in klassischen Orchestern dessen Musik gespielt. Diese Klänge im Hinterkopf hat der heutige Jazzmusiker nun ein Projekt ausgebrütet, das sich mit der Musik des Meisters auf kreative Weise befasst, was bedeutet: Das Quartett mit Daniel Erdmann (Saxofone), João Barradas (Akkordeon) und DJ Illvibe an den Turntables spielt keine Werke Beethovens, sondern Stücke, die überwiegend von Bica stammen, aber genau das machen, was der Albumtitel verspricht: Sie spielen mit Beethoven.
Die Kompositionen nähern sich dem Meister auf äußerst (respekt-)lose Art und Weise, nehmen die Essenz eines Werks, ob „Leonore", „Ritterballett" oder „Liebeslied", paraphrasieren, verfremden, dekonstruieren, kontrastieren und zerstückeln es und setzen es dann assoziativ und collagenhaft, mit Jazzimprovisationen, frühen Schallplatteneinblendungen, elektronischen Sounds und Folkloreklängen garniertt, wieder zusammen, wobei manchmal nicht mehr viel van Beethoven übrig bleibt. Dieser wilde Mix-Up hätte dem einstigen Pianisten und Improvisator möblicherweise sogar gefallen. Wer weiß?
Carlos Bica: Playing with Beethoven (youtube)
In „Liebeslied“, das als Schlußakkord des Albums fungiert, fängt es bedächtig mit zwei sich abwechselnden Tönen auf dem Akkordeon an, dem gesellt sich das Saxofon und die Sounds der Turntables hinzu. Die Interaktion der Instrumente steigert sich langsam zu einem mächtigen Furioso, wobei am Ende – nach dem großen Blow-Out – der Beethoven-Gassenhauer „Für Elise“ (den jeder im Ohr hat) einmal kurz – ganz ungeschützt und unbegleitet – von der Quetsche angespielt wird.
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