Sunday, 13 July 2025

SCHEIBENGERICHT Nr. 45: Anna Sophia Defant s:e

Widerhaken im musikalischen Prozeß

Anna Sophia Defant

s:e

Unit Records



Freejazz kann recht eintönig sein! Doch wie der Falle entgehen, dass das freie Spiel sich fortwährend um die eigene Achse dreht? Das junge Quartett der österreichischen Pianistin Anna Sophia Defant namens s:e hat den Weg der Post-Production gewählt, was heißt: Zuerst wird frei improvisiert, dann die Improvisationen im Studio seziert und einzelne Sequenzen destilliert, die dann durch Nachbearbeitung mittels Cuts zu Stücken ausgearbeitet werden. Mit diesem Verfahren wird Gleichförmigkeit vermieden, indem jeder Titel einen eigenen Charakter erhält. Das ist nicht neu: Schon Teo Macero arbeitete mit Miles Davis in seiner elektrischen Phase nach 

demselben Prinzip. 


Was den Gruppensound des Defant-Quartetts betrifft, erinnert s:e gelegentlich an die Gruppe Last Exit von Brötzmann, Laswell, Shannon-Jackson und Sharrock, die Ende der 1980er Jahre den freien Jazz elektrifizierten. Das ist vor allem dem japanisch-österreichischen Gitarristen Kenji Herbert zu verdanken, der einmal nicht, wie viele seiner Altersgenossen, Kurt Rosenwinkel nacheifert, sondern eher in Richtung Sonny Sharrock tendiert und Widerhaken in den musikalischen Prozeß einbaut. Von brachialen Nummer bis zu meditativen Stücken reicht das Spektrum der Titel, die nie ausufern, sondern immer knapp gehalten sind, dazu immensen Formwillen beweisen, was dieses Debutalbum zu einer recht kurzweiligen Angelegenheit macht. 


Hörprobe (youtube)

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