Friday 21 September 2012

JOHN LYDON / JOHNNY ROTTEN: PIL is back



Totgesagte leben länger

Nach fast 20 Jahren meldet sich der “König des Punk” John Lydon zurück

Von Christoph Wagner

Was Elvis für den Rock ‘n’ Roll bedeutete und Bob Marley für den Reggae, war Johnny Rotten für den Punk – die Figur, in der sich eine ganze musikalische Bewegung verkörpert sah. Jetzt kehrt Johnny Rotten unter seinem bürgerlichen Namen, John Lydon, mit einem neuen Album auf die Szene zurück – das erste seit fast 20 Jahren. Eine solide Arbeit, die allerdings nicht ohne Schwächen ist.

Rotten war Sänger der Sex Pistols, die 1976 in England mit Songs wie “Anarchy in the UK” und “God save the Queen” die Punk-Rebellion lostraten. Die Band bestanden kaum zwei Jahre lang, bevor sie im Chaos versank und auseinander fiel. Nach der Auflösung legte Johnny Rotten seinen Künstlername ab und nannte sich wieder John Lydon. Mit ein paar Freunden gründete er Public Image Limited, kurz PIL genannt, die Band, mit der er die nächsten zehn Jahre aktiv war. Aus dem rebellischen Rotzlöffel wurde ein ernsthaften Musiker. 1979 glückte PIL mit dem Album “Metal Box” ein Meilenstein der Rockgeschichte. Die Schallplatte, verpackt in der runden Metallschachtel einer Filmrolle, verband die rohe Aggressivität des Punk mit den schweren Grooves des Dub-Reggae und der Klangwelt der Avantgarde zu einem musikalischen Monument, das hellsichtig in die Zukunft wies. 

Nach 20 Jahren Abstinenz von der Szene und einem umstrittenen Abstecher in die Fernseh-Werbung, was seinem Bankkonto sicher förderlicher war als seiner Glaubwürdigkeit als Punk, kehrte Lydon 2009 ins aktive Musikleben zurück. Für eine Tour zum 30. Jubiläum der “Metal Box” stellte er eine neue Band zusammen. Auf seine alten Gefährten aus der klassischen PIL-Formation, Gitarrist Keith Levene und Bassgitarrist Jah Wobble, griff er dabei nicht zurück – im Gegenteil: Als sie ihr eigenes Jubiläumsprojekt namens “Metal Box in Dub” ankündigten, drohte ihnen Lydon mit der juristischen Keule. Anstelle der beiden holte der “König des Punk” den Gitarristen Lu Edmonds und den Drummer Bruce Smith ins Boot, die in der letzten PIL-Besetzung in den später 80er Jahren mit von der Partie gewesen waren. Der Baßjob ging an Scott Firth, einen Sessionprofi, der einst mit den Spice Girls gearbeitet hatte.

Die Gruppe nahm sich Zeit, um die Songs der “Metal Box” originalgetreu einzustudieren. Danach ging es auf Tour durch England, Europa und Amerika. Die Resonanz war so vielversprechend, dass Lydon Überlegungen anstellte, ein Album mit neuem Material einzuspielen: “This is PIL” ist jetzt auf Lydons eigenem “PIL Official”-Label erschienen, ein Indiz dafür, dass keine der großen Plattenfirmen bereit war, seine finanziellen Forderungen zu erfüllen und den Exzentriker unter Vertrag zu nehmen.


 Die Songs des aktuellen Albums verfügen über alle Elemente, die einst den Sound von PIL ausmachten: ein hartes, treibendes Schlagzeug, scharfe Gitarrenriffs, einen hypnotischen Bass und schillernde Klänge. Darüber legt Lydon seinen typischen proklamierenden Sprechgesang, der allerdings, im Tonumfang limitiert, auf Dauer etwas eindimensional und eintönig wirkt. Die Musik atmet dagegen mehr Frische. Vor allem Gitarrist Lu Edmonds gelingt es kräftige Farbtupfer zu setzen, ob mit verblüffenden Effekten auf der elektrischen Gitarre oder Ethnoklängen auf der türkischen Saz. Solch kleine Extravanzen können der Musik nur gut tun.


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