HÖREMPFEHLUNG 4: BILL- Elektronik-All-Star-Band
Elektronik-Swing
Ein neues Bandprojekt bringt vier musikalische "Heavyweights" zusammen
Foto: Manuel Wagner
von Christoph Wagner
Eigentlich sollte es für
einen Festivalauftritt eine Ad-Hoc-Band um den englischen Dub-Bassisten Jah
Wobble werden mit seinem alten Kumpan Jaki Liebezeit am Schlagzeug, Hans
Joachim Irmler von Faust als Keyboarder plus Wobbles Holzbläser Clive Bell.
Doch dann machte Wobble einen Rückzieher. Elektroniker Robert Lippok (To Rococo
Rot) sprang ein, was sich als glückliche Fügung erwies, denn ohne Baß öffnen
sich musikalisch ganz andere Horizonte im Spannungsfeld von elektronischen
Sounds, Improvisation und Grooves.
Es beginnt mit einem
Knaller. Der Eröffnungstrack “Glasbamboo” ist vielleicht das stärkste Stück des
Albums. Lippok sorgt mit dichten Tonkaskaden für ein spannendes Klangdesign,
Sounds, die an afrikanische Marimba-Pattern erinnern. Liebezeit hakt sich mit
einem hypnotischen Groove ein, während Irmler fantasievolle Melodien und
bizarre Klangwellen darüber legt. Eine Flöte tönt mit langen tiefen Tönen von
weit her - wie ein Schiffshorn im Nebel. Die Nummer unterstreicht die
Konzeption von B.I.L.L.: Die Gruppe steht für einen Ensembleklang, der wenig
Gewicht auf Soli legt und die einzelnen Instrumente im klangmalerischen Tutti
vereint.
Noch atmosphärischer gibt
sich “Miles 2001”. Hier öffnen sich weite Perspektiven, durch die bunte
Klangwolken segeln. Wieder gibt ein synkopisches Schlagmuster die Richtung vor,
während es im Hintergrund elektronisch scheppert und verzerrte Orgeltöne in
weiten Bögen ihre Kreise ziehen. Das Stück macht deutlich, was für das gesamte
Album gilt: das Objekt der kreativen Erkundung ist der musikalische Raum, der
im Grund unendlich ist. Man nimmt sich Zeit für seine Ausgestaltung, läßt
Klänge und Töne fließen und schweben.
In “World War 1” geht es
ruppiger zur Sache. Mit einem markanten Riff kommt ein Bauelement der Rockmusik ins Spiel. Das
Keyboard-Motiv ist derart beherrschend und erbarmungslos fortwärtstreibend, dass
wenig Spielraum für subtilere Einwürfe bleibt. Die dringen wieder imTitel “Das
Boot” an die Oberfläche, einem klangmalerischen Unterwasserausflug ohne
Schlagzeug.
Auf einem zuckenden
Laptop-Motiv basiert “The Thrower”. Die Melodica gibt den Ton an, wird von
perlenden Klangstrudeln unterspült, bevor ein durchgeknalltes elektronischen
Player-Piano-Motiv à la Colon Nancarrow übernimmt. Im Stück “Lovely Endung”
versucht die Shakuhachi dem Songtitel gerecht zu werden und zelebriert über
einem langsamen monotonen Beat ihren heißeren Klang.
Auf dem Klangbad-Festival 2010 feierte B.I.L.L einen vielversprechenden Einstand. Die
Einspielung wird den damals geweckten hohen Erwartungen gerecht mit einer Musik
ganz auf der Höhe der Zeit, die auf überzeugende Weise die Sounds des digitalen
Zeitalters mit Poesie und Körperlichkeit vereint.
B.I.L.L. (Bell, Irmler, Liebezeit, Lippok): Spielwiese Zwei (Klangbad / Broken Silence)
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