Friday 21 September 2012

HÖREMPFEHLUNG 4: BILL- Elektronik-All-Star-Band


Elektronik-Swing

Ein neues Bandprojekt bringt vier musikalische "Heavyweights" zusammen
                                                                                                                                                             Foto: Manuel Wagner
von Christoph Wagner
Eigentlich sollte es für einen Festivalauftritt eine Ad-Hoc-Band um den englischen Dub-Bassisten Jah Wobble werden mit seinem alten Kumpan Jaki Liebezeit am Schlagzeug, Hans Joachim Irmler von Faust als Keyboarder plus Wobbles Holzbläser Clive Bell. Doch dann machte Wobble einen Rückzieher. Elektroniker Robert Lippok (To Rococo Rot) sprang ein, was sich als glückliche Fügung erwies, denn ohne Baß öffnen sich musikalisch ganz andere Horizonte im Spannungsfeld von elektronischen Sounds, Improvisation und Grooves.
 
Es beginnt mit einem Knaller. Der Eröffnungstrack “Glasbamboo” ist vielleicht das stärkste Stück des Albums. Lippok sorgt mit dichten Tonkaskaden für ein spannendes Klangdesign, Sounds, die an afrikanische Marimba-Pattern erinnern. Liebezeit hakt sich mit einem hypnotischen Groove ein, während Irmler fantasievolle Melodien und bizarre Klangwellen darüber legt. Eine Flöte tönt mit langen tiefen Tönen von weit her - wie ein Schiffshorn im Nebel. Die Nummer unterstreicht die Konzeption von B.I.L.L.: Die Gruppe steht für einen Ensembleklang, der wenig Gewicht auf Soli legt und die einzelnen Instrumente im klangmalerischen Tutti vereint. 
 
Noch atmosphärischer gibt sich “Miles 2001”. Hier öffnen sich weite Perspektiven, durch die bunte Klangwolken segeln. Wieder gibt ein synkopisches Schlagmuster die Richtung vor, während es im Hintergrund elektronisch scheppert und verzerrte Orgeltöne in weiten Bögen ihre Kreise ziehen. Das Stück macht deutlich, was für das gesamte Album gilt: das Objekt der kreativen Erkundung ist der musikalische Raum, der im Grund unendlich ist. Man nimmt sich Zeit für seine Ausgestaltung, läßt Klänge und Töne fließen und schweben.
 
In “World War 1” geht es ruppiger zur Sache. Mit einem markanten Riff kommt ein  Bauelement der Rockmusik ins Spiel. Das Keyboard-Motiv ist derart beherrschend und erbarmungslos fortwärtstreibend, dass wenig Spielraum für subtilere Einwürfe bleibt. Die dringen wieder imTitel “Das Boot” an die Oberfläche, einem klangmalerischen Unterwasserausflug ohne Schlagzeug.
 
Auf einem zuckenden Laptop-Motiv basiert “The Thrower”. Die Melodica gibt den Ton an, wird von perlenden Klangstrudeln unterspült, bevor ein durchgeknalltes elektronischen Player-Piano-Motiv à la Colon Nancarrow übernimmt. Im Stück “Lovely Endung” versucht die Shakuhachi dem Songtitel gerecht zu werden und zelebriert über einem langsamen monotonen Beat ihren heißeren Klang.
 
Auf dem Klangbad-Festival 2010 feierte B.I.L.L einen vielversprechenden Einstand. Die Einspielung wird den damals geweckten hohen Erwartungen gerecht mit einer Musik ganz auf der Höhe der Zeit, die auf überzeugende Weise die Sounds des digitalen Zeitalters mit Poesie und Körperlichkeit vereint. 

B.I.L.L. (Bell, Irmler, Liebezeit, Lippok): Spielwiese Zwei (Klangbad / Broken Silence)

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