Saturday, 29 September 2012

HÖREMPFEHLUNG 5: Lucas Niggli & Peter Conradin Zumthor


TROMMELN IM FELSBAD

Lucas Niggli und Peter Conradin Zumthor in der Therme in Vals (Schweiz)
                                                                                                                                                                                   Foto: Daniel Rohner
von Christoph Wagner
Der Schweizer Peter Zumthor ist einer der berühmtesten Architekten der Welt. 2009 hat er den Pritzker-Preis erhalten - den Nobelpreis für Architekten. Neben dem Kunsthaus in Bregenz – ganz in Glas - und dem Schweizer Pavillon bei der Expo 2000 in Hannover - ganz aus Holz -, ist die Therme in Vals Zumthors bekanntester Bau. Das Thermalbad, direkt in den Fels der Alpen gehauen, ist ein Labyrinth aus Wasserkammern- und –becken. Es macht aus einem harmlosen Schwimmvergnügen einen fast erhabenen Akt: ein Ritual des Badens, wie man es aus dem Orient kennt.
An diesem Ort aus Wasser und Stein, wo sich sonst die Badegäste tummeln, hat jetzt sein Sohn, der Schlagzeuger Peter Conradin Zumthor, ein Album aufgenommen, das durch die nachhallreiche Akustik des Felsbads eine ganz besondere Atmosphäre erhält.
Zumthor kooperiert dabei mit Lucas Niggli, in dessen Schlagwerkquartett Beat Bag Bohemia er von Beginn an dabei war. Während zweier Nächte bauten die beiden Perkussionisten, einander gegenüber sitzend, direkt am Beckenrand ihre umfangreichen Schlagwerke auf, die aus einer Vielzahl von Trommeln, einem Wald von Metallbecken und etlichen anderen Perkussionsinstrumenten wie Gongs und Glocken bestehen.
Fünf Stücke wurden aufgenommen, von denen zwei von Niggli stammten und eines von Zumthor. Den Auftakt macht allerdings eine Komposition von Barry Guy, der auf reizvolle Weise die rohen Klänge von Metallbecken, Gongs, Glocken, Trommelfellen, Rasseln, Tempelblocks und Klanghölzern mit fragmentarischen Einblendungen von Renaissance-Musik von Claudio Monteverdi collagiert.
Die sich daran anschließende Komposition des Basler Perkussionisten Fritz Hauser, die dem ganzen Album seinen Titel gab, ist minimalistisch gehalten: Ein einfaches Schlagmuster wird so lange wiederholt, bis sich ganz allmählich seine Farbefarben verändern und es durch Überlagerungen, minimale Verschiebungen und Schlagzahlverdopplung mehr und mehr an Dichte gewinnt, bis am Ende die Schläge nur so prasseln.
Für Lucas Nigglis Komposition “Bubble Ballad” ging es ins Wasser. Auf schwimmenden Waterdrums, bei denen es sich um afrikanische Kalebassen-Halbschalen handelt, wird in der Mitte des Schwimmbeckens ein langsamer monotone Rhythmus geschlagen. Durch krasse Betonung fallen einzelne Schläge heraus, die der Nachhall des Raums in Blitz und Donner verwandelt.
Peter Conradin Zumthors Komposition “Joch” ist für zwölf Röhrenglocken konzipiert. Sie werden paarweise dicht geklöppelt, dabei ins Wasser des Schwimmbads getaucht. Wenn dann die metallenen Hohlstäbe wieder aus dem Wasser gezogen werden, ergeben sich faszinierende Klangeffekte. Mehr und mehr steigert sich das Stück zu einem fulminanten Höhepunkt empor, wobei allein die physische Belastbarkeit der beiden Musiker sein Ende bestimmt.
Der Komponist Edgard Varèse war 1929 einer der ersten, der mit “Ionisation” ein Werk nur für Perkussionsinstrumente schuf, die damals nicht wirklich als Musikinstrumente galten. Seither ist auf diesem Sektor viel passiert und die Rezeption der Schlagwerke hat sich geändert, wenn auch nicht grundsätzlich. Niggli und Zumthor machen deutlich, welch unendliche Möglichkeiten in der Beschränkung noch steckt. 
Lucas Niggli – Peter Conradin Zumthor: Spiegel (Edition Vals)

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